So wie es in der westlichen Welt unzählige Fabelwesen und mystische Kreaturen gibt, so gibt es auch in China eine unglaubliche Anzahl an Wesen, die in noch mehr Schriften erwähnt und beschrieben werden. Viele dieser mythischen Wesen finden auch in der heutigen Popkultur ihren Platz oder werden wiederentdeckt. In diesem Beitrag möchte ich einige wichtige dieser wundervollen Kreaturen näher vorstellen.
Die zwei wohl bekanntesten Fabelwesen in der westlichen Welt sind der Qilin und der Long – Das chinesische Einhorn und der chinesische Drache. Diese beiden majestätischen Wesen dürften in der Popkultur, vor allem in vielen Filmen (47 Ronin, Rama und der letzte Drache, Iron Mask, Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings) eine Rolle spielen und dadurch auch im Westen nicht allzu unbekannt sein. Oft ist die Rolle eher nebensächlich und für die Handlung nicht entscheidend, jedoch bekommt man einige dieser fabelhaften Kreaturen zu Gesicht.
Der Qilin 麒麟
In der westlichen Kultur wird der Qilin häufig als chinesisches Einhorn beschrieben, auch wenn die äußeren Merkmale recht wenig übereinstimmend sind, so treffen die Wesenszüge auf gewisse Ähnlichkeiten. In China finden sich viele Statuen des Qilins an unzähligen Orten. Die bekanntesten Figuren stehen in der Verbotenen Stadt und bei den Ming-Gräbern im Norden Pekings. Aber auch paarweise vor einigen Restaurants in ganz China oder in einigen Parks können solche Figuren angetroffen werden.
Das Äußere hat sich über die verschiedenen Epochen und Kaiser-Dynastien stetig verändert, bis es in der Qing-Dynastie (die letzte Kaiser-Dynastie) sein endgültiges Aussehen erhalten hat. Der Körper ist wie der eines Pferdes, dazu kommt ein Drachenkopf mit Hirschgeweih und einem Karpfenbart.
Die Füße sind die eines Ochsens und der Qilin hat den Schwanz eines Löwen. Anstelle eines Fells wird der Qilin in den meisten Darstellungen mit Fisch- oder Drachenschuppen dargestellt.
Die Wesenszüge des Qilins werden meist als friedlich nachgesagt. Der Qilin ist quasi die Verkörperung von Frieden und Liebe. Demnach frisst der Qilin auch nur Pflanzen. Beim Weiden zertrampelt er auch keine Gräser oder andere Pflanzen. Da der Qilin als so friedliches Wesen gilt, ist er bei vielen Chinesen auch unter dem Namen 瑞兽 (Ruishou) – „Tier das Gutes verheißt“, bekannt
Als die Chinesen während der großen Expeditionen während der Ming-Dynastie das erste mal Giraffen mit nach China brachten, wurden diese als Qilin bezeichnet, was sich in der koreanischen und japanischen Sprache bis heute erhalten hat. Das japanische Kirin Bier hat seinen Namen ebenfalls vom chinesischen Qilin.
Der Qilin bildet zusammen mit 龙 Long (Drache), 龟 Gui (Schildkröte) und dem 凤凰 Fenghuang (Phönix) die 四灵 Siling – die vier Wundertiere. Alle Vier Fabelwesen sind in China als Glücksbringer bekannt.
Der Long 龙
Auch in der chinesischen Kultur gibt es Drachen. Anders als in westlichen Fabeln sind Drachen in China aber eher Beschützer und Glücksbringer als monströse Bestien gegen die der Held in den Kampf zieht, um die Prinzessin zu Retten. Der Kopf des chinesischen Drachen ist ähnlich dem in europäischen Sagen geformt, trägt aber meist einen Karpfenbart. Der Körper ist der einer Schlange und meist flügellos. Dazu kommen vier kurze Beine mit krallenbesetzten Füßen.
Der Long wird häufig als gute Gottheit beschrieben, die Glück bringt und beschützt. Es gibt aber auch Ausnahmen wie zum Beispiel den schwarzen Drachen, der Überschwemmungen und Fluten bringt. Den Sagen nach, gibt es neben Wasserdrachen auch Feuerdrachen und Eisdrachen.
In China ist der Long das Symbol des Kaisers und findet sich in unzähligen Ornamenten in der Verbotenen Stadt. So zieren Drachen die Säulen um den Thron herum sowie das Dachgebälk. Ein weiteres sehr bekanntes Relief ist die Drachenwand in der Verbotenen Stadt mit ihren neun Drachen.
Neun ist nach chinesischer Zahlensymbolik die Zahl des Drachen. Auch im chinesischen Fengshui spielt der Drache eine wichtige Rolle. So müssen beispielsweise Gebäude danach ausgerichtet werden, damit sie dem „Drachen“ nicht die Sicht versperren. Meist sind Flüsse sowie Berge als Drache zu interpretieren.
Das Nian 年
Das Nian ist im Gegensatz zum Long und Qilin ein gefräßiges Monster, welches an Neujahr aus den Bergen und Wäldern in die Dörfer und Städte kommt und deren Einwohner frisst. Nur mit der Farbe Rot und Lärm lässt sich das Monster fernhalten. Aus diesem Grund gibt es am chinesischen Neujahr alles in Rot. Von der Türdekoration mit glücksverheißenden Neujahrssprüchen bis zu den Böllern ist alles Rot. Kinder bekommen rote Umschläge mit Geld und die Kleidung ist meist ebenfalls rot.
Das Schriftzeichen für „Jahr“ ist ebenfalls 年 Nian. Und hängt vermutlich damit zusammen, dass das Monster immer an Neujahr in die Dörfer kommt. Die äußere Erscheinung des Nian liegt fast ausschließlich in schriftlicher Form vor, sodass die Beschreibung schwierig ist. Auch wird es je nach Quelle völlig anders beschrieben. Allen Quellen nach, ist das Nian jedoch ein unheilvolles Biest.
Im Jahr 2021 wurde zu Neujahr von Apple ein Werbespot in China ausgestrahlt, in dem das Nian nicht als Bestie dargestellt wird, sondern als einsames und eher friedliches Wesen.
Der Yuetu 月兔
Der Yuetu ist der Mondhase oder auch Jadehase (玉兔 Yutu) . Der Mondhase ist der Begleiter der Mondgöttin Chang’e. Für diese stampft er Lebenselixier. Wenn man den Mond betrachtet kann man einen dunkleren Teil erkennen. Dieser hat ungefähr die Form eines aufrecht sitzenden Hasen vor dem eine Art Box steht. Diese erinnert an einen Butterstampfer. Daher hat der Mondhase seinen Job als Elixierstampfer sowie sein Dasein.
Während des Mondfestivals (meist im Herbst) ziert der Hase alle Dekorationselemente. Vom Mondkuchen bis zum Fensterschmuck wird der Yuetu aufgedruckt. Der Mondrover von 2013 trug den Namen Jadehase und wurde von der Sonde Chang’e auf dem Mond abgesetzt. Auf der Rückseite des Mondes ist seit 2019 der Jadehase 2 im Einsatz und erkundet die von der Erde abgewandte Seite.
Das Pixiu 貔貅
Das Pixiu ist ein weiteres chinesisches Fabelwesen, welches Reichtum symbolisiert. Es hat die Form eines geflügelten Löwen. Der Kopf ähnelt meist dem eines Drachen. Das Pixiu ernährt sich von Gold, Silber und Juwelen sowie anderen Kostbarkeiten. Doch es besitzt kein Rektum, sodass der angefressene Reichtum niemals verloren gehen kann.
Der Tao Tie 饕餮 und der Hundun 混沌
Diese beiden Fabelwesen sind zwar schon recht alt in der chinesischen Mythologie, trotzdem sind sie recht unbekannt. Der Tao Tie ist vor allem durch den Film „The Great Wall“ von 2016 mit Matt Damon, Jing Tian sowie Willem Dafoe und Andy Lau in den Hauptrollen bekannt geworden. Er ist ein gefräßiger Dämon. Erste Darstellungen gehen bis zu 3310 Jahre v. Chr. zurück. Beschrieben wird der Tao Tie meist in Gedichten oder Versen. Die Interpretation geht jedoch teilweise auseinander.
Einige stellen den Tao Tie als Menschenfressende Bestie dar, die teilweise Körperlos die Menschen frisst. Dadurch, dass sie nur einen Kopf hat, kann sie den Menschen jedoch nur Schaden zufügen, sie aber nicht verschlingen. Andere Interpretationen argumentieren, dass der Tao Tie keine Menschen frisst, sondern dass es bei den Darstellungen um die Kommunikation zwischen Menschen und Göttern ginge.
Der Tao Tie wird meist auf Bronzegefäßen gefunden. Dort ist meist nur sein Kopf abgebildet. Die Wissenschaft ist deshalb etwas zwiegespalten bei dessen Interpretation. Manche Wissenschaftler meinen, dass der Tao Tie nur eine künstlerische Darbietung bei der Herstellung von Bronzegefäßen sei und sich daraus dann die weiteren Gedichte oder Verse gebildet haben.
In der chinesischen Literatur wird im Klassiker der Berge und Meere (Erste Texte sind über 2000 Jahre alt) der Tao Tie als einer der Vier bösen Kreaturen genannt. Das sind der Tao Tie, der Hundun, der Qiongqi und der Taowu. Sie bilden das Gegenstück zu den Siling – den oben genannten vier Wundertieren.
Den Hundun möchte ich hier noch erwähnen, da er durch den Marvel Film „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ von 2021 bekannt wurde. Dort wird der Hundun als fluffiger und friedlicher Begleiter von Trevor Slattery dargestellt. Er trägt den Namen Morris und kann auch böse werden, ist aber eher ein flauschiges Kuscheltier.
Den Hundun kann man sich als sechsbeinige Kugel vorstellen. Ohne Augen oder Mund dafür mit bis zu zwei Flügelpaaren. Es gibt auch einen chinesischen Knödel, der Hundun genannt wird. Da der Hundun für das Chaos steht, wird eine Verbindung zum Essen hergestellt, da sich die Suppe mit dem Knödel (und weiteren Zutaten) wie das ursprüngliche Chaos verhält. Sprachlich lässt sich auch anhand der Schriftzeichen eine solche Verbindung herleiten und belegen, jedoch ist diese These nicht ganz unumstritten.
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